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Masterarbeit “Botschaft der Nacht”

Für meine Masterarbeit “Botschaft der Nacht” forschte ich von 2017-2020. Als ich mit der Recherche begann, gab es noch keine Night Governance Modelle in Deutschland, weshalb ich Expert:inneninterviews mit amtierenden Nachtbürgermeister:innen oder Initiator:innen in Amsterdam, Groningen, Wien, Zürich, Berlin, Heidelberg und dann mit dem ersten deutschen Night Mayor in Mannheim führte. Ich untersuchte, wie die verschiedenen Städte ihre Night Governance strukturiert hatten, wie sie diese finanzierten und wie sie diese eingerichtet hatten. Bis heute schöpfe ich aus dem Wissen und den Erfahrungen, die ich durch diese Arbeit generieren konnte.

Ohne die Unterstützung durch die Hans-Böckler-Stiftung wäre diese Arbeit niemals möglich gewesen und ich bin heute noch sehr dankbar für das Stipendium, welches mich ein gutes Stück begleitet hat und mir verschiedene Forschungsreisen ermöglichte.

 

Leseprobe

„Nachts sind alle Katzen grau“ sagt ein bekanntes Sprichwort, das es so oder so ähnlich in unterschiedlichen Sprachen gibt. Die dunkle Taghälfte vermag es, Unterschiede zu verwischen und zu nivellieren, was Begegnungen aller Art sowie abenteuerliche Erlebnisse begünstigt. Nächte werden seit jeher zum einen zur Erholung, zum anderen für Vergnügungen genutzt. Das Nachtleben hat für alle eine andere Bedeutung. Sicherlich jede*r ist schon in den Genuss einer schrill-dynamischen Nacht gekommen, aus denen die Geschichten entstehen, die man später von seiner verrückten Jugend erzählen wird. In der vorliegenden Arbeit soll es um das urbane Nachtleben gehen, welches sich um Clubbesuche, laue Sommernächte im Freien und genreübergreifender Liebe zur Musik dreht – und um Politik, sozusagen um Nacht-

Politik.

Doch wie passt das alles zusammen?

In den letzten Jahren gab es zunehmend Institutionalisierungsprozesse der Nachtkultur, insbesondere der Clubkultur. Durch Gründungen von Verbänden, Vereinen und Kommissionen versuchen sich auf unterschiedlichen Ebenen Interessenvertretungen der Clubkultur zu formieren, um auf ihre bedrohte Existenz hinzuweisen und sich als eigenständiger, kultureller Bereich der freien Szene zu emanzipieren. Gleichzeitig wird das Nachtleben auch zunehmend von der Stadtentwicklungspolitik als bedeutsam wahrgenommen für die Lebensqualität, Stadtimage und den Tourismus. Und durch die hohen Zuzugsraten kommt es in vielen sich nachverdichteten Städten zu Lärmkonflikten zwischen Clubbetreibenden, nachtaktiven Menschen und der Anwohnerschaft, die eine Mediation erfordern. So haben es sich immer mehr Clubverbände und Kommunen zur Aufgabe gemacht Konzepte zu entwickeln, die Themen des Nachtlebens lösungsorientiert und nachhaltig bearbeiten. Und darum soll es hier gehen:

Um Botschaften der Nacht, Nachtkultur-Vertretungen, um Night Ambassador Organisationen und Nachtbürgermeister*innen. Was ist das eigentlich, ein*e Nachtbürgermeister*in? Wie unterscheiden sich diese Nachtkultur-Vertretungen konzeptuell voneinander?

[…]

Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich einer ausführlichen nacht- und clubkulturellen Gegenwartsanalyse, um grundlegend in das Thema einzuführen. Dafür ist es notwendig zu Beginn thematisch vorzugreifen, um Begriffe und Entstehungszusammenhänge von Nachtkultur-Vertretungen zu klären. Im ersten Kapitel deuten sich daher schon Ergebnisse der empirischen Untersuchung an, die später im dritten Teil ausführlich dargestellt werden. Danach wird ein kurzer Einblick auf Perspektiven der Entität Nacht gegeben, bevor sich mit unterschiedlichen Bedeutungshorizonten der Clubkultur eingehend beschäftigt wird. Zu Beginn wird dort über die Problematik des Begriffs zu lesen sein, dem eine eigene Definition entgegengesetzt wird. Danach wird das kulturelle Feld der Clubkultur zwischen Popkultur, Mainstream und Subkulturen verortet. Globale Zusammenhänge und lokale Praxis werden unter der Glokalität der Clubkultur subsumiert und eine kleine kulturhistorische Ausführung führt uns bis zu den clubkulturellen Wurzeln ins Antike Griechenland zurück.

Die besondere Bedeutung der Clubkultur für Jugendliche, die zu deren Identitätskonstruktion beitragen kann, wird näher beleuchtet und es deutet sich eine weitreichende politische Dimension der Clubkultur an. Häufig werden Livemusikspielstätten als wirtschaftliche Betriebe definiert und bilden damit einen Teil der Nachtökonomie ab. Allerdings impliziert die Selbstbezeichnung „Clubkultur“, dass sich die Akteur*inne dieser als Kulturproduzent*innen begreifen. Dieser Anerkennungskampf um kulturelle Wertschätzung wird ausführlich dargelegt. Bevor die erwähnten Institutionalisierungsprozesse näher beschrieben werden, wird die Clubkultur auch als Teil der Kreativwirtschaft untersucht. Im zweiten Teil der Arbeit wird vorgestellt, wie die Daten erhoben wurden und welche Auswertungsmethoden angewendet werden. Dort wird der eigene subjektive Standpunkt innerhalb dieser qualitativen Untersuchung reflektiert und die Auswahl der Experten sowie die Eingrenzung des Materials begründet. Die Auswertungsmethoden Objektive Hermeneutik und Grounded Theory Methodologie werden vorgestellt und es wird dargelegt, wie sie hier Anwendung finden. Dies wird mithilfe von Beispielen illustriert.

Im dritten Teil werden die Ergebnisse der Datenauswertung aufbereitet. Zunächst erfolgt eine Charakterisierung der einzelnen Fälle. Danach werden in unterschiedlichen Dimensionen die untersuchten Nacht-Kulturvertretungen miteinander verglichen. Dies beginnt mit einer Untersuchung der Ausgangssituationen, bevor sich die Organisationen gründeten. Danach wird überprüft, welcher Begriff von Nachtkultur von den Organisationen angewendet wird und wie sich der Aufgabenbereich danach gestaltet. Die Struktur und der Aufbau der Nachtkultur-Vertretungen wird dann näher untersucht, um zu darzulegen, wie sich die Positionen legitimieren. Auch das häufig adaptierte Amsterdamer Wahlsystem soll analysiert werden. Des Weiteren wird die Gestaltung und Umsetzung der Agenden der einzelnen Organisationen verglichen und gefragt, vor welchen Herausforderungen die Experten während ihrer Arbeit stehen. In einem kleinen Praxis-Exkurs werden die Ratschläge der Experten zusammengetragen. Auf deren Grundlage wurde ein Idealtypus einer Nachtkultur-Vertretung erstellt. Falls diese Arbeit bspw. von Menschen gelesen wird, die derzeit eine Konzeptionierung einer solchen Stelle planen, kann dieser Idealtypus vielleicht eine Inspiration darstellen. Zuletzt wird über den europäischen Tellerrand geschaut und die weltweite Entwicklung des Night Ambassador Movements nachgezeichnet.

Im Fazit werden dann die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst, Zusammenhänge hergestellt und überlegt, welchen Fokus weitere Untersuchungen haben könnten.

Der Sprachgebrauch dieser Arbeit ist weitestgehend gendernd. Wenn von Experten und Nachtbürgermeistern die Rede ist, meint es auch nur männliche Protagonisten. Dies liegt in der Auswahl der Experten begründet. Im Allgemeinen werden aber Nachtbürgermeister*innen gemeint sein. Eingefügte Zitate wurden im Original übernommen und sind daher oft nicht genderneutral. Da diese Arbeit auf deutscher und englischer Forschung beruht, werden vereinzelt englische Begriffe übernommen. Zitate sind in ihrer Originalsprache eingefügt, um nichts zu verfälschen. Da ich hoffe, dass diese Arbeit auch in nicht-akademischen Kreisen auf Interesse stößt, wird mit einem ausgewählten Einsatz von Fremdwörtern und möglichst klarer Sprache versucht, die Verständlichkeit niedrigschwellig zu halten, ohne auf Wissenschaftlichkeit zu verzichten.

 

Wenn ihr die Masterarbeit einsehen wollt, kontaktiert mich gern: